„Wir sehen uns im August“ von Gabriel García Márquez

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Als bekannt wurde, dass die Söhne von Gabriel García Márquez, posthum einen neuen Roman des Nobelpreisträgers veröffentlichen werden, war ich sehr gespannt. Ich möchte schon lange etwas von dem kolumbianischen Schriftsteller lesen und habe es doch bisher noch nicht geschafft. Bis jetzt! „Wir sehen uns im August“ erschien nun im Frühjahrsprogamm bei Kiepenheuer & Witsch und ich hatte die Gelegenheit es zu lesen. Ob es eine gute Idee war, dieses posthum veröffentlichte Werk als meinen Einstieg für die Literatur von „Gabo“ zu wählen, lest ihr im Folgenden:

Einmal im Jahr besucht Anna Maria Bach das Grab Ihrer Mutter auf einer Insel. Sie geht allein, ohne Mann und Kinder, der Ablauf ist immer der Gleiche und genau durchdacht: Die gleiche Fähre, der selbe Taxifahrer, das selbe Hotel, die gleichen Blumen. Als Anna Maria Bach jedoch eines Tages einen anderen Mann auf der Insel kennenlernt und ihn mit auf ihr Zimmer nimmt, wird dieser sonst so durchdachte Tag zu Ehren Ihrer Mutter, zu einem jährlich wiederkehrenden Tag ihrer persönlichen Freiheit.

Die Erzählung der glücklich verheirateten Frau, die dennoch jedes Jahr gierig auf den nächsten Mann für den Seitensprung wartet, lies sich zwar sehr schnell lesen, aber mehr als ein kurzweiliger Buchsnack war es für mich definitiv nicht. Man merkt, dass diese Geschichte nicht vollendet ist, das etwas fehlt. Die Protagonistin wirkte auf mich sehr flach ausgearbeitet, ein kluger Plot war für mich nicht vorhanden. Warum braucht diese Frau, die scheinbar viel Wert auf Treue legt und doch eigentlich glücklich verheiratet ist, diese jährliche Abwechslung im Bett? Wie verändert sie sich dadurch oder Ihre Ehe? Mir hat hier der Tiefgang gefehlt, der mit mehr Seiten sicher gegeben gewesen wäre. Doch so ist die einzige Szene, die mir wirklich gefallen und mich auch zum schmunzeln gebracht hat, der Schluss. Von den rassistischen Bemerkungen* im Text will ich gar nicht erst anfangen.

Wenn dein Vater ein berühmter Autor und Nobelpreisträger ist, dann solltest du vielleicht darauf hören, wenn er sagt: Das Buch ist unvollendet und taugt nicht, anstatt es gegen seinen Willen posthum zu veröffentlichen. Für mich taugt dieses Buch tatsächlich nicht. Ich finde es sehr schade, dass die Söhne es nicht dabei belassen haben. Das Urteilsvermögen Ihres Vaters aufgrund seiner Erkrankung anzuzweifeln war definitiv keine gute Entscheidung. Ich werde Gabriel García Márquez jedoch noch eine zweite Chance geben. Mit einem Roman, den er für gut und vollendet empfunden hat.

Von mir, als neue García Marquez Leserin, gibt es hierfür leider keine Empfehlung. Vielleicht sehen das die Kenner*innen des Autors ja anders, aber ich kann mir nicht vorstellen, das dieses unfertige Werk dem eigentlichen Niveau des Nobelpreisträgers entspricht.


„Wir sehen uns im August“ | Gabriel García Márquez | Kiepenheuer & Witsch | 144 Seiten

Vielen Dank an den Kiwi Verlag für das Rezensionsexemplar. Übersetzt aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz.

*u.A. auf Seite 88. Der Mann wisse nicht wie viel eine Hotelh?re kostet, schon gar nicht wenn Sie eine Chinesin sei.

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